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Alte Wunden reißen immer wieder auf

Ein atmosphärisch starkes Schauspiel auf der Stadeum-Bühne: Nina Petri und Nicki von Tempelhoff spielen in „Gift“ ein Ehepaar. Foto Fantitsch

Ein atmosphärisch starkes Schauspiel auf der Stadeum-Bühne: Nina Petri und Nicki von Tempelhoff spielen in „Gift“ ein Ehepaar. Foto Fantitsch

Mit Nina Petri (52) und Nicki von Tempelhoff (47) gastierten am Montag zwei bekannte Mimen auf der Bühne des Stadeum. 400 Zuschauer sahen das aufrüttelnde Stück „Gift – Eine Ehegeschichte“ unter der Leitung von Regisseur Wolfgang Stockmann.

Von Daniel Beneke Dienstag, 15.03.2016, 23:05 Uhr

Die Geschichte aus der Feder von Autor Lot Vekemans ist schnell erzählt: Zehn Jahre haben sie sich nicht gesehen, doch nun trifft ein Mann seine Ex-Frau ausgerechnet am Grab des gemeinsamen, verstorbenen Sohnes Jakob wieder. Während er das Drama hinter sich gelassen und eine neue Familie gegründet hat, verharrt sie in Trauer. Die Aufführung bestand überwiegend aus wortgewaltigen und bedeutungsschweren Dialogszenen, die alleine schon rein akustisch nicht immer verständlich ankamen. Vor allem in den hinteren Reihen war das ein Problem.

Ohnehin verlangte das Ensemble den Gästen einiges ab. Wer ein temporeiches Spiel erwartete, wurde enttäuscht. Von einzelnen Wutausbrüchen abgesehen, gab es wenig Aktion auf der Bühne. Die Schauspieler wirkten in dem eigenwilligen Bühnenbild mit metallener Veranda und einer auf die Leinwand im Hintergrund projizierten Waldlichtung bisweilen regelrecht verloren.

Dabei waren die Rollen dem Duo wie auf den Leib geschrieben: Nicki von Tempelhoff als zauseliger Mann, der die quälenden Vorwürfe seiner Gattin nach dem Tod des Jungen nicht mehr aushielt, der Enge entfloh und in der Normandie ein anderes Leben begann. Nina Petri als verletzte Frau, die von ihrer Vergangenheit nicht loskommt, sich immer noch nach dem ehemaligen Lebensgefährten sehnt und zutiefst erschüttert ist, als er ihr offenbart, dass seine neue Partnerin ein Kind von ihm erwartet und er seine Lebensgeschichte in einem Buch verarbeiten möchte.

„Jeder Moment, jedes Detail ist aufbewahrt in meinem Kopf, wie in einem 3D-Film“, rief die Frau ihrem Gegenüber zu. „Du verstehst mich nicht, ich verstehe dich nicht“, erwiderte er. Die Zuschauer brauchten eine Weile, bis sie die Handlung durchdrangen. So wurde erst spät klar, dass die Frau die Begegnung mit einem gefälschten Brief der Friedhofsverwaltung inszeniert hatte, indem stand, dass das Grab des kleinen Jakob umgebettet werden müsse.

Mit großer Energie und eindrucksvoller Präsenz setzten die Mimen die namenlosen, verwundeten Seelen in Szene. Sie kamen authentisch daher, brachten die starken Gefühle ihrer Rollen überzeugend zum Vorschein. Die melancholische Klaviermusik, die zwischen einigen Szenen eingespielt wurde, verstärkte diesen Eindruck. Dennoch hatte das moderne, erst 2009 uraufgeführte Stück mit der erschütternden Geschichte mitunter Längen und logische Brüche. Zum Beispiel in der zweiten Halbzeit, als sich das Paar wie aus dem Nichts wieder näher kam und am Ende versöhnt auseinanderging.

Nach eineinhalb Stunden bedankte sich das Stader Publikum mit langem Beifall.

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