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Serie Harburgs Plätze

Der Hastedtplatz: Vom Notquartier zur grünen Lunge

Der Hastedtplatz nach dem Zweiten Weltkrieg: 80 Nissenhütten standen hier – Notunterkünfte für Ausgebombte. Foto: Geschichtswerkstatt Harburg

Der Hastedtplatz nach dem Zweiten Weltkrieg: 80 Nissenhütten standen hier – Notunterkünfte für Ausgebombte. Foto: Geschichtswerkstatt Harburg

Auf dem Hastedtplatz standen einst die Nissenhütten – Heute ist er Naherholungsort für die Harburger. Nur die riesigen alten Pappeln erinnern heute noch an die Zeit, als Ausgebombte und Flüchtlinge auf dem zentralen Platz Zuflucht fanden.

Von Martin Sonnleitner Montag, 22.07.2019, 17:48 Uhr

Auf den ersten Blick sieht es lediglich aus wie ein sattsam grüner Flecken große Wiese samt Rasen und Bäumen, hingestreckt zwischen Mergellstraße, Bremer Straße und Göhlbachtal. Doch beim längeren Betrachten wird der besondere Charakter dieser grünen Oase, genannt Hastedtplatz, mitten in Harburg deutlich. Genau an dieser Stelle trifft auch die Geest auf die Marsch. „Es gibt Flussläufe, die man noch sieht“, erzählt Klaus Barnick von der Geschichtswerkstatt Harburg.

Der damalige Senator Wilhelm Hastedt hatte hier eine riesige Villa, die fast den gesamten Platz zentral einnahm, „im 19. Jahrhundert war hier noch alles unbesiedelt“, so Barnick. Das Tal am Geestrücken lag an einem komplexen Seensystem zwischen Rathaus und Hafen.

Einst gab es hier den See Göhlbach. Dem Bachlauf folgend, kommt der Besucher am angrenzenden Lohmühlenteich vorbei, dann führt das Göhlbachtal weiter entlang von Kleingärten und Ackerflächen und verbindet sich dann mit dem Neuen Harburger Friedhof. Rechtsseitig befindet sich der Stadtteil Eißendorf, ein erstmals 1359 urkundlich erwähnter Ort.

Doch der Hastedtplatz hat seine ganz eigene Geschichte. Der Platz erhielt seinen Namen 1950, die angrenzende Hastedtstraße gibt es bereits seit 1910. 1908 wurde der Hastedtplatz aufgesiedelt und stadtplanerisch bearbeitet, kurz zuvor muss also die Villa des Senators und Brauereibesitzers abgerissen worden sein, nachdem sie zunächst verkauft worden war. Um 1990 herum wurde auf der einst flachen Wiese ein Hügel angelegt, der den Platz heute charakterisiert und Markenzeichen für das beliebte Naherholungsgebiet unweit des Harburger Zentrums ist.

Hier treffen Jogger auf Radfahrer, Familienausflügler auf Yoga treibende Sonnenanbeter. Der Platz ist beliebt bei Jung und Alt. Der Hastedtplatz wird im Rahmen von Sondernutzungserlaubnissen jährlich auch für kleinere Familien- oder Kinderfeste vergeben. Darüber hinaus findet dort – organisiert vom Verein zur Förderung der Jugendarbeit – jeden Dienstag ein kostenloses Spielangebot für Kinder im Alter von 3 bis 14 Jahren statt. Der Hastedtplatz ist ein kleiner Platz, den ein Rondell mit Sitzbank fast vollständig erschließt. Er ist kein Stadtplatz, sondern Teil der öffentlichen Grün- und Erholungsanlage Göhlbachtal.

Es gab in der jüngeren Vergangenheit organisierte Familienspektakel auf dem Hastedtplatz im Rahmen der Hamburger Aktion „Nachbarschaft verbindet“ mit mehr als 100 teilnehmenden Bewohnern der Nachbarschaft und Motto-Pavillons. Das Sozialraumteam Eißendorf, ein Zusammenschluss von aktiven Vereinen und Einrichtungen im Stadtteil, sorgte somit dafür, dass die Bewohner der Umgebung zusammenkommen und sich kennenlernen. Mittlerweile ist es hier aber ein wenig mau geworden, was öffentliche Veranstaltungen betrifft.

Historisch bedeutsam macht den Hastedtplatz, dass sich hier nach dem Zweiten Weltkrieg ein Nissenhüttenlager befunden hat. „Es war ein Notaufnahmelager für Ausgebombte und Flüchtlinge“, klärt Barnick auf. Doch auch sommerliche Idylle hat es in der frühen Nachkriegszeit auf dem Hastedtplatz gegeben, auch wenn ausgebombte Butenhamburger und Flüchtlinge buchstäblich nichts hatten. „Es waren nur die nackten Wellblechwände da und eine Glühlampe“, heißt es in dem Buch „Nissenhüttenlager in Harburg nach dem Ende des 2. Weltkriegs“ (Klaus Barnick/Gunther Hein). Auf dem Hastedtplatz standen etwa 80 Nissenhütten, was 160 Wohneinheiten entsprach. 640 Menschen sollen hier in dieser Zeit gelebt haben. Ende der 1950er Jahre dürfte dieses Lager aufgelöst worden sein. Luftaufnahmen aus den frühen 1960er Jahren zeigen einen leeren Platz, allerdings mit noch erkennbar rechteckigen Flecken, die auf die Standorte der Nissenhütten hinweisen.

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Die riesigen Pappeln, die hier heute noch stehen, sind stille Zeitzeugen, es gab sie damals schon, wie Fotos aus dieser Epoche, die 1946 begann, belegen. So hat eine Frau Kirchhoff diese Pappeln vor ihrer Nissenhütte gepflanzt. „Man hat uns alles kaputtgemacht, aber wir machen jetzt wieder alles schön und gemütlich“, soll sie gesagt haben. Es seien „historische Dokumente“, so Barnick. Der ehemalige Harburger Gesamtschullehrer für Geschichte und Erdkunde erzählt gern, wie er in den 1980er Jahren mit seinen Schülern hier nachts zeltete – ein kleiner Abenteuertrip und historische Exkursion zugleich.

Als die Industrialisierung boomte, gab es hier eine chemische Fabrik und einen stadtteilbekannten Getränkemarkt. Heute läuft unter dem Hastedtplatz ein Fluss unterirdisch und mündet in den Binnenhafen. Ehemalige Flussläufe und einstige Fabriken zeigen, wie wichtig Harburg damals als Siedlungsgebiet und Industriestandort war. Barnick: „Harburg war die Stadt mit der höchsten Arbeiterdichte in Deutschland.“ Eißendorf gründete sich einst aus einigen alten Bauerndörfern, der Lohmühlenteich zeugt noch von vergangenen Jahrhunderten, von der chemischen Fabrik ist hingegen nichts mehr zu sehen.

Heute ist die Gegend rund um den Hastedtplatz eine beliebte Wohngegend. Seit 2014 entstanden viele Bebauungspläne für das zentrale Areal. Auf dem Grundstück, wo einst der Getränkemarkt war, entstehen 30 Wohneinheiten. Wegen der Nähe zur Bremer Straße ist das Gebäude nach Süden hin mit einer Laubengangerschließung mit Aufenthaltscharakter entwickelt, mit bodentiefer Verglasung und Loggien. Nichts erinnert hier mehr an die einstigen Notunterkünfte, außer die alten Pappeln.

In loser Folge stellt das TAGEBLATT die prägendsten Plätze im Bezirk Harburg vor. Heute: der Hastedtplatz.

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