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Porträt

Kunst statt HNO-Praxis: Dr. Berg liebt immer noch Ohren

Dr. Thomas Berg mit einem seiner „ohrenbetäubenden“ Kunstwerke. Foto: Felsch

Dr. Thomas Berg mit einem seiner „ohrenbetäubenden“ Kunstwerke. Foto: Felsch

Ohren haben es ihm angetan: Dr. Thomas Berg, 35 Jahre als HNO-Arzt tätig, die meiste Zeit davon in der eigenen Praxis in Buxtehude, ist fasziniert von dem Sinnesorgan, das er auch schon mal in seinen Kunstwerken verarbeitet.

Von Franziska Felsch Sonntag, 02.10.2022, 17:00 Uhr

Als er vor drei Jahren aus dem aktiven Berufsleben ausschied, begann der 65-Jährige eine Ausbildung als systemischer Coach. Und bleibt damit seinem studierten Beruf auch wieder treu, da er Menschen hilft, nur auf etwas andere Art, nämlich indem er ihnen sein Ohr leiht.

„In einer Kassenarztpraxis ist es nicht möglich, jemanden aufwendig zu beraten. Obwohl es immer mein Wunsch war, Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu begleiten“, sagt Berg, dem als Mediziner nur ein paar Minuten für jeden Patienten blieben. Er habe immer wieder davon geträumt, mehr Zeit zu haben für die Menschen. Das hat er jetzt als psychologisch versierter Berater. Aber der Weg dahin war nicht so leicht.

„Ich musste viel selbst reflektieren, aber es hat mir Spaß gemacht“

In einem zwölfmonatigen Kursus bei einem renommierten Psychologen lernte er, worauf es bei einem richtigen Coaching ankommt. „Ich musste viel selbst reflektieren, aber es hat mir Spaß gemacht“, sagt Berg, der der Älteste unter den Teilnehmern war. Und der Einzige, der aus einem sozialen Beruf kam. „Meine Kommilitonen waren zwischen 25 und 40, aber das hat mich wenig gestört. Ich war begierig, diesen neuen Beruf richtig zu studieren“, fügt Berg hinzu. Das Ganze sei anstrengend und aufwendig gewesen, er hatte nicht nur theoretischen Unterricht, sondern musste sich auch in der Praxis beweisen und Klienten betreuen, bevor er das ersehnte Zertifikat erhielt.

Das Buch „Der Mönch, der seinen Ferrari verkaufte“, das er vor Jahren gelesen hatte, habe ihn nachhaltig beeindruckt und gab den Impuls, sein Leben zu ändern. Durch eine Ausbildung in NLP (Neurolinguistisches Programmieren) kam ihm die Idee, sich zum Begleiter ausbilden zu lassen, was ihm selbst auch viel gebracht hat, bekennt er.

„Alles hat seinen Sinn, selbst Schicksalsschläge“

Denn sein eigenes Leben war mit Hindernissen gepflastert. Zwar wohlbehütet in Hamburg aufgewachsen, als Ältester von drei Kindern, die Eltern beide Ärzte, lief es in der Schule ganz und gar nicht gut. Eine Legasthenie und Hyperaktivität verzögerten seine intellektuelle Entwicklung. „Mit Ach und Krach habe ich im zweiten Anlauf mein Abitur bestanden und dann Maschinenbau studiert, um nach zwei Jahren festzustellen, das ist es doch nicht“, bekennt der Mediziner freimütig.

Im Alter von 25 Jahren wurde sein angeborener Herzfehler korrigiert. Die Herzgeschichte hat ihm dann - weil er als Härtefall galt - den Medizin-Studienplatz beschafft. „Alles hat seinen Sinn, selbst Schicksalsschläge“, weiß er heute. Nicht nur seine eigenen haben ihm zu schaffen gemacht: Vor einem Jahr starb seine schwerstbehinderte Tochter. Seine Frau ist körperlich stark eingeschränkt und auf den Rollstuhl angewiesen. Trotzdem hat er seinen Humor und seinen Lebensmut nicht verloren. Beides fließt in seine ehrenamtliche Arbeit als einziger männlicher Babypate in Buxtehude mit ein, in seine abstrakten Kunstwerke und Blumenbeete, die nicht selten an Ohren erinnern und natürlich in seine Therapiegespräche.

Coaching-Konzept „Wahrheit und Wandlung“

Viele Klienten habe er noch nicht gehabt, aber er hofft, dass das sich bald ändert. Obwohl er nicht mehr so viel arbeiten will, doch Menschen zu helfen, ihren eigenen Weg zu finden, das liegt Berg am Herzen. „Es geht nicht darum, Ratschläge zu erteilen, sondern mit dem Klienten zusammen das Beste für ihn herauszufinden. Sein Potenzial anzuschauen und gemeinsam zu klären, wo derjenige hinwill und wie er das erreicht.“

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Deshalb heißt sein Coaching-Konzept „Wahrheit und Wandlung“. Seine eigene persönliche Wahrheit gelte es zu erkennen und zu wissen, was man ändern kann. Grundvoraussetzung ist aber die Fähigkeit zur Selbstreflexion und der Wille sich zu wandeln, beschreibt er in Kurzform seine Arbeitsweise.

Ein Coaching-Prozess muss auch nicht lange dauern, bei manch einem reichen zwei Stunden. Länger als 20 Stunden aber selten. Denn das Veränderungspotenzial eines Menschen ist immer größer, als man am Anfang glaubt. Oder wie ihm ein Lehrer gesagt hat: „Die Probleme liegen häufig im Emotionalen und die Lösung auch.“

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