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Wenn die Seele krank wird helfen im Landkreis Stade 40 Einrichtungen und Gruppen

In den vergangenen Jahren ist im Landkreis Stade ein dichtes Netzwerk der gemeindenahen Psychiatrie entstanden. Das zeigt die Karte des Sozialpsychiatrischen Verbundes.

In den vergangenen Jahren ist im Landkreis Stade ein dichtes Netzwerk der gemeindenahen Psychiatrie entstanden. Das zeigt die Karte des Sozialpsychiatrischen Verbundes.

„Störungen im Lebensfluss“ war 2013 der Titel, als der Sozialpsychiatrische Verbund des Landkreises Stade eine Aktionswoche „Seelische Gesundheit“ organisierte. Der Veranstaltungsreigen klärte die Öffentlichkeit über die vielen (modernen) Erscheinungsformen psychischer Erkrankungen auf. Er stärkte aber auch die Kontakte innerhalb des Verbundes. „Wir sind noch besser zusammen gewachsen“, sagt Dr. Martin Morawietz.

Von Jutta Eidtmann Donnerstag, 11.09.2014, 19:16 Uhr

Morawietz leitet den Sozialpsychiatrischen Dienst des Landkreises Stade, der die Geschäfte des Verbundes führt. 40 Gruppierungen sind hier vernetzt: Behandler wie das Elbe Klinikum und niedergelassene Psychiater, Leistungserbringer in der Eingliederungshilfe wie ambulante Dienste und stationäre Wohneinrichtungen, Beratungsstellen, Vereine, aber auch ehrenamtlich Tätige wie Alzheimer-Gesellschaft und Angehörigen-Gruppen. Sie alle verbindet die Aufgabe, die Versorgung psychisch Kranker zu optimieren und sie in ihrer Lebensplanung zu unterstützen. Die entscheidende Arbeit wird in Fachgruppen geleistet, zweimal im Jahr ist Mitgliederversammlung. Esther Koehnen vom DRK hat eine Landkreis-Karte angefertigt. Sie gibt eine geografische Übersicht über das Netzwerk. Diese Karte wie auch Adressen der Einrichtungen sowie Beschreibungen des Verbundes und des Sozialpsychiatrischen Dienstes finden sich auf der Homepage des Landkreises Stade. Auch diese gute öffentliche Präsentation ist ein Ergebnis der Verbundarbeit. „Wir haben gerade in den vergangenen zehn Jahren viel erreicht“, bilanziert Dr. Morawietz. Im gemeindenahen Hilfeangebot, wie es gewachsen ist, sind die Wege kurz geworden. Man kennt sich, kann schnell agieren, vermitteln. Das ist auch notwendig, denn psychische Erkrankungen nehmen zu. Immer mehr und immer jüngere Menschen erkranken, weil sie dem Druck der Arbeitswelt und der Leistungsgesellschaft nicht gewachsen sind. Burn out, Panikattacken, Erschöpfungssyndrom sind moderne Begriffe, formal gilt für alle der klinische Begriff der Depression. Aber dahinter steht immer ein Mensch mit einer Krise, einer Störung im Lebensfluss. Und auch eine Familie, die sich dieser Erkrankung stellen muss.

Ein großes Problem ist die Stigmatisierung. Sie betrifft vor allem Menschen mit Psychosen, schweren Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Suchtkrankheiten, die daran gehindert sind, Rollenbildern gerecht zu werden. Im Bericht des Landkreises Stade zur Situation der Menschen mit Behinderungen heißt es in einer Definition zu „seelischen Behinderungen“: „Sie drücken sich in menschlichen Lebensdimensionen aus, die nicht medizinisch zu messen sind: Denken, Fühlen. Handeln, Wahrnehmen oder Orientierung sind subjektive Phänomene, für die es keine genau definierte Norm gibt.“

Auch die Zahl der Menschen, die psychisch so schwer und dauerhaft erkrankt sind, dass sie eine Eingliederungshilfe brauchen, steigt. Das macht die Statistik des Sozialpsychiatrischen Dienstes deutlich. Dr. Martin Morawietz als Leiter und begutachtender Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie und sein Team hatten 2010 noch 103, 2012 schon 146 und 2013 195 Eingliederungshilfefälle. Und dabei handelt es sich nur um die „abgearbeiteten“ Fälle, nicht um die insgesamt beantragten und bearbeiteten. Und auch nicht um das weitere Alltagsgeschäft, bei dem es um telefonische Beratungen von Betroffenen, Angehörigen und Nachbarn geht wie auch um Organisations- und Verbundaufgaben. „Wir haben hier die ganze Bandbreite an Problemfällen, vom Einmalkontakt bis zur Zwangseinweisung“, sagt Morawietz.

Der Sozialpsychiatrische Dienstbefürwortet und vermittelt Eingliederungshilfe in den Bereichen Beruf, Wohnen und Gesundheit. Bei den Hilfeplangesprächen sitzen alle Beteiligten an einem Tisch: Patient, Angehörige, Sozialamt, eventuell gesetzlicher Betreuer. Die Hilfe wird meist für ein bis zwei Jahre (Folgeantrag) gewährt. Ziel ist die Teilhabe. In der dem Gesundheitsamt zugeordneten Dienststelle wirken fünf Sozialpädagogen nach einem Regionalprinzip und zwei Verwaltungskräfte.

Wie sich die von ihnen vorbereitete Eingliederungshilfe bei Trägern und in Einrichtungen gestaltet, wird das TAGEBLATT in den kommenden Wochen in weiteren Artikeln vorstellen.

Seelische Gesundheit

In einer losen Folge berichtet das TAGEBLATT aus den Arbeitsgruppen des Sozialpsychiatrischen Verbundes im Landkreis Stade. Hintergrund ist die deutliche Zunahme psychischer Erkrankungen, mit Folgen für viele Lebens- und Gesellschaftsbereiche. Darüber klärt jährlich der Tag der seelischen Gesundheit am 10. Oktober auf. Im Verbund sind Einrichtungen, Ärzte, Institutionen und Gruppierungen vernetzt, die professionelle Leistungen erbringen oder ehrenamtlich aktiv sind. Alle Folgen und zusätzliche Informationen präsentiert das TAGEBLATT im Internet:

www.tageblatt.de, www.landkreis-stade.de, www.spv-lkstade.de

Dr. Martin Morawietz leitet den Sozialpsychiatrischen Dienst mit Dienststellen in Stade, Buxtehude (Foto) und Freiburg. Foto Eidtmann

Dr. Martin Morawietz leitet den Sozialpsychiatrischen Dienst mit Dienststellen in Stade, Buxtehude (Foto) und Freiburg. Foto Eidtmann

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